20.08.2001 Rheinpfalz: Sicher auf hoher See


Jazz-Rock-Projekt mit Christian Scheuber bei Mayer-Bräu in Oggersheim

Von unserem Mitarbeiter

Gerd Kowa

“Am Sonntag in der Früh möchte doch kein Mensch ein Konzert hören. Deshalb
machen wir unser Konzert am Abend", sagte der Bassist Torsten Steudinger und
blickte sich ängstlich um. Denn soviele Leute, wie man erwartet hatte, waren
um Acht dann doch noch nicht da, um dem Schlagzeuger Christian Scheuber und
seiner Band zuzuhören. Bald aber füllten sich die Bänke im lauschigen
Konzert-Brunch-Pavillion der Oggersheimer Brauerei Mayer.

Denn die Eingeweihten und Scheuber-Fans waren ja doch neugierig, womit die
Scheuber-Band die Kultursommerkonzerte in der Brauerei fortsetzen würde. Da
erzählte der Bassist, dass man sich ein halbes Jahr intensiv mit diesem
Projekt beschäftigt habe und nun ein stilistisches Medley aus Jazz, Rock,
Pop und Rap servieren wolle. Und als er dann geschmeidig wie eine Gazelle
auf die Bretter jumpte, seine Haare fliegen ließ und sein Instrument
umarmte, wundervoll virtuose Soli in Stücken wie “Red Baron" von Billy
Cobbam oder “Tutu" von Miles Davis ablieferte, dann spürte man, dass ein
Meister am Werke war.

Steudinger stammt aus Pforzheim, studierte Jazz in Mannheim, verliebte sich
in die Kurpfalz und blieb. Sein Spiel magnetisiert auch einen anderen, nicht
minder souveränen Musiker: den Gitarristen Gerhard Schwinn aus Darmstadt,
der sporadisch in Mannheim unterrichtet und ansonsten mit zahlreichen Bands
durch die Republik tingelt. Bei diesem außergewöhnlich sensiblen und
flexiblen Musiker wurde man in Stücken wie “I'm not in love" der Rockband
1oCC oder “Isn't she lovely" von Stevie Wonder Zeuge einer Kunst, mit der
die Gitarre nur bei großen Meistern assoziiert wird. Fingerakrobatik und
Gesang, Schnelligkeit und Genauigkeit verzaubern die Hörer.

Und fast im Hintergrund lächelt dazu der Bandleader Christian Scheuber und
schlägt verwegen auf Becken und Fell. Die drei Recken verstehen sich
prächtig, der Sound ist ausgewogen, Rythmik und scharfes Metrum umarmen
sich. Homogen und mitreißend wirken ihre solistischen Stücke. “Friday Night
at the Cadillac-Club" zitterte vor lauter Leben.

“Gerade haben wir ­ zu unserem Jux und Vergnügen ­ einen sommerlichen
Abstecher nach Südfrankreich gemacht", erzählte Christian Scheuber, “wir
spielten in Montpellier vor abendlichen Bistrogästen und wurden gefeiert wie
die Jazz-Toreros". Das ist in der Tat vorstellbar. Denn gerade in den
Stücken ihres Kulturprogramms ist die Vorliebe für den Jazz nicht zu
überhören. Die Musiker wollen jedoch keine Fachidioten sein. Sie wollen
lebendige und neugierige Globetrotter der Stile sein.

Und weil sie dazu auch Vokalisten brauchen und das Experiment grundsätzlich
nicht scheuen, luden sie zwei Newcomer des Gesangs ein. Beiden merkte man ­
in Stücken wie dem Standard “Angel Eyes", dem “Freedom Jazz Dance" von Eddie
Harris oder “Never can say Good-bye" ­ noch eine gewisse Debüt-Scheu an. Die
blutjunge Sängerin Ana Kufner, eine gebürtige Ukrainerin, hat ein schönes
Timbre, eine saubere Stimme, der sie allerdings noch etwas Mut zusprechen
sollte, damit sie nicht von ihren übermütigen Hintermännern am Schlagzeug,
dem Bass und der Gitarre mutwillig über die Schallrampe gekippt wird. Ihr
Partner Claus Sportiello aus Böhl-Iggelheim ist Student an der Mannheimer
Musikhochschule, arrangierte einige Stücke ganz famos und stellte seine
geschmeidige Stimme in ihren Dienst. Vielleicht könnte man dieser
elektronisch noch ein paar Absätze anzaubern, damit sie größer wirkt. Seine
instrumentale Stimmführung ist ideal für den Rap.

Das Paar stand vorne an der Rampe, an der Reling sozusagen, während das
Orchesterschiff mächtig schlingerte im Sturm der heißen Rhythmen. Die beiden
Solisten hielten stand, wurden nicht seekrank, was ein gutes Zeichen für
künftige Abstecher in die hohe See der lebendigen Jazz-Rock-Musik sein
dürfte.